Neuer Rekord: Regenerative Energien decken in Deutschland im ersten Halbjahr 2024 fast 60 Prozent des Stromverbrauchs
© Adobe Stock / FotoliaBerlin, Stuttgart - Über das gesamte erste Halbjahr 2024 hat die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs abgedeckt und damit einen neuen Rekord markiert. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Im ersten Halbjahr 2024 haben Erneuerbare Energien (EE) rund 58 Prozent des Bruttoinlandstromverbrauchs gedeckt, so viel wie nie zuvor in einem Halbjahr. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch lag damit fast sechs Prozentpunkte höher als im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres (Jan-Jun 23: 52 Prozent). Insbesondere Photovoltaikanlagen produzierten flankiert durch den Rekordzubau im Jahr 2023 deutlich mehr Strom als im Vorjahreszeitraum.
Regenerative Stromerzeugung von Januar bis Juni erreicht fast 150 Mrd. kWh
Insgesamt lag die Bruttostromerzeugung im ersten Halbjahr 2024 bei 252 Mrd. kWh., was gegenüber dem Vorjahreszeitraum einem Rückgang von knapp fünf Prozent entspricht (Jan-Jun 23: 265 Mrd. kWh). Dem stand ein Stromverbrauch von rund 250 Mrd. kWh gegenüber (Jan-Jun 23: 250 Mrd. kWh). Dabei lag die Bruttostromerzeugung aus Sonne, Wind und anderen regenerativen Quellen bei knapp 150 Mrd. kWh Strom (Jan-Jun 23: 120 Mrd. kWh). Davon entfallen knapp 62 Mrd. kWh auf die Kategorie Wind an Land, 37 Mrd. kWh auf die Photovoltaik, 25 Mrd. kWh auf die Biomasse, 14 Mrd. kWh auf den Bereich Offshore-Wind. Mit 12 Mrd. kWh hat zudem die Wasserkraft im ersten Halbjahr überdurchschnittlich stark zur Bruttostromerzeugung beigetragen. Aus konventionellen Energieträgern wurden im ersten Halbjahr 102 Mrd. kWh erzeugt, im Vorjahreszeitraum waren es noch 120 Mrd. kWh. Die Kernenergie, die im ersten Halbjahr 2023 noch sieben Mrd. kWh Strom lieferte, leistet seit der endgültigen Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerksblöcke zum 15. April 2023 keinen Beitrag mehr zur Stromerzeugung in Deutschland.
„Zum wiederholten Mal in Folge sehen wir einen Rekord beim Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch. Das ist der Lohn für den beharrlichen Ausbau von Windenergie und Photovoltaik in den vergangenen Jahren“, kommentiert die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung Kerstin Andreae die Halbjahreszahlen. „Dieser erneute Rekord unterstreicht, dass eine effiziente, zuverlässige, sichere und treibhausgasneutrale Stromversorgung auf der Basis von nahezu 100 Prozent erneuerbaren Energien inklusive Wasserstoff bis 2035 in Deutschland nicht nur erreichbar ist, sondern damit auch ein stabiles Fundament für die Industrie auf ihrem Weg zur klimaneutralen Produktion bietet“, ergänzt der geschäftsführende Vorstand des ZSW Prof. Dr. Frithjof Staiß.
BDEW mahnt systematischen und zielgerichteten Ausbau der Infrastrukturen an
Mit Blick auf eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende betont der BDEW, neben der Bedeutung der wachsenden EE-Stromerzeugung die Rolle des Ausbaus der entsprechenden Infrastrukturen. „Der Aus- und Umbau der Stromnetze sowie die Entwicklung von Speichern und innovativen Konzepten müssen mit dem Erneuerbaren-Ausbau Hand in Hand gehen. Denn grüner Strom bringt uns nichts, wenn er nicht genutzt werden kann. Hier muss die Bundesregierung die noch verbliebenen Hemmnisse aus dem Weg räumen“, fordert Andreae. Die BDEW-Chefin verweist zudem auf die Sektorkopplung als wichtigem Baustein im Energiesystem der Zukunft und die zentrale Rolle der Erzeugung von Wasserstoff. Die Bundesregierung müsse sich in Brüssel für pragmatische Kriterien für grünen und klimaneutralen Wasserstoff einsetzen. Das gelte weiterhin auch für Planungs- und Genehmigungsverfahren. Zentral sei zudem der Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke. „Wir brauchen gesicherte Leistung für Systemdienstleistungen und Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“, so Andreae weiter.
Lieferabhängigkeiten reduzieren: Wertschöpfung in Deutschland sicherstellen
ZSW-Geschäftsführer Frithjof Staiß betont in seinem Kommentar zur Entwicklung der EE-Stromerzeugung in Deutschland zudem den Stellenwert der lokalen und regionalen Wertschöpfung. Aktuell finde die Wertschöpfung bei der Produktion von EE-Anlagen fast ausschließlich außerhalb Deutschlands und in großen Teilen auch außerhalb Europas statt. Umso wichtiger sei es, dass Deutschland den am 16. März 2024 verabschiedeten Net Zero Industry Act der EU ganz gezielt nutze, um die Produktion der Schlüsseltechnologien Photovoltaik, Windenergie, Batterietechnologien, Elektrolyse, Brennstoffzellen und Stromnetzkomponenten (wieder) in Deutschland anzusiedeln. „Gelingt dies nicht, werden die Lieferabhängigkeiten insbesondere von Ländern aus dem außereuropäischen Ausland weiter steigen“, warnt Staiß.
Über die Unterschiede zwischen Brutto- und Nettostromerzeugung
Die von ZSW und BDEW veröffentlichten Angaben zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien spiegeln die Bruttostromerzeugung wider (Jan-Jun 24: rd. 150 Mrd. kWh EE-Stromerzeugung). D.h., dass Selbstverbräuche vor Ort aus regenerativen Stromerzeugungsanlagen (insbesondere PV-Anlagen) über entsprechende Schätzmethoden und der Eigenverbrauch von Anlagen (z.B. Heizung von Rotorblättern, Stellmotoren, Trocknungsanlagen) mit einbezogen werden.
Im Unterschied dazu basiert die vom IWR regelmäßig durchgeführte Analyse der Daten aller von den nationalen Netzbetreibern zur Verfügung gestellten EU-Länderdaten (Entso-e Daten) auf der Einspeisung in die Stromnetze der Übertragungsnetzbetreiber, d.h., die Nettostromerzeugung wird abgebildet (Jan-Jun 24: rd. 136 Mrd. kWh EE-Stromerzeugung). Dieser Wert fällt aufgrund der nicht enthaltenen Angaben über Selbst- und Eigenverbräuche entsprechend niedriger aus. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien der Anteil der Selbst- und Eigenverbräuche weiter ansteigen wird.
© IWR, 2024
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